Kurzkonzept für die Grundschule und Gesamtschule (schulformübergreifend)
Die Montessori-Schule Göttingen wurde 1999 gegründet. Schulträger ist seit Juli 2009 die ASG – Anerkannte Schulgesellschaft mit Sitz in Buchholz-Annaberg. Die Montessori-Schulen Göttingen sind heute eine staatlich genehmigte Grundschule und eine staatlich anerkannte Sekundarschule mit Gesamtschulcharakter bis Klasse 10.
Die Montessori-Schule wird in der Grundstufe (Kl. 1 – 3) als volle Halbtagsschule geführt, in der Mittelstufe(Kl. 4 – 6) gibt es an ein bis zwei Nachmittagen ein verbindliches Unterrichtsangebot und für die Sekundarstufe I (Kl. 7 – 10) gibt es die volle Ganztagsschule. Verschiedene AGs für Klasse 1 – 6 und eine außerunterrichtliche Nachmittagsbetreuung (Hort) von 13.00 bis 16.30 Uhr, freitags bis 16.00 Uhr ergänzen das Schulangebot. Die Lehrkräfte und Erzieherinnen haben eine spezielle Zusatzausbildung absolviert und das Montessori-Diplom erworben.
Grundgedanken
Die Montessori-Schule Göttingen setzt das weltweit anerkannte und verbreitete Konzept der Pädagogik Maria Montessoris konsequent um. Maria Montessori ging davon aus, dass das Kind alle Entfaltungsmöglichkeiten zur voll entwickelten menschlichen Persönlichkeit in sich trägt. Die Aufgabe der Erwachsenen ist es, dieses Potential durch die Schaffung einer Lernumgebung so zu fördern, dass das Kind seine sinnlichen, emotionalen, sozialen und intellektuellen Fähigkeiten individuell entwickeln kann. Die Umsetzung dieses Gedankens heißt für die pädagogische Praxis Abschied nehmen vom gleichschrittigen Lernen im Frontalunterricht. Eine gänzlich andere Lernumgebung wird in der Montessori-Schule geschaffen:
- Die Kinder finden in offenen Regalen eine "Vorbereitete Umgebung" vor, in denen das didaktisch, wissenschaftlich strukturierte Lernmaterial geordnet nach Fächern und Schwierigkeitsgraden steht. Die Lernmaterialien präsentieren nicht nur die Inhalte der für die öffentlichen Schulen verbindlichen Rahmenrichtlinien, sondern auch solche, die weit darüber hinausreichen.
- Die freie Wahl der Arbeit in dieser vorbereiteten Umgebung lässt das Kind nach individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten handeln und lernen. Diese Freisetzung der Eigenaktivität bewirkt eine intensive und ganzheitliche Entwicklung des Kindes. Es wendet sich mit hoher Motivation seiner Arbeit zu. Wie lange sich das Kind mit einem Lerngegenstand auseinandersetzt, entscheidet es selbst. Damit hat es die Möglichkeit, in Ruhe bei einem Lerninhalt verweilen zu können. Das meditative Element des Bildungsprozesses - heute weitgehend vernachlässigt - spielt in der Montessori-Pädagogik eine große Rolle.
- Damit das Kind frei wählen kann, gibt die Lehrkraft in allen Bereichen über den Tag verteilt in Gruppen verschiedenste Darbietungen zu allen schulischen Inhalten, die eigenständige weiterführende Arbeiten des Kindes möglich machen. Dies gewährleistet, dass alle erforderlichen Lerninhalte dem Kind vermittelt werden sowie Inhalte, die über den Lehrplan weit hinausgehen.
- Diese von innen kommende Motivation führt dann zu einem konzentrierten Lernhandeln, das Maria Montessori entdeckte und als "Polarisation der Aufmerksamkeit" bezeichnete. In dieser Phase höchster Aufmerksamkeit verbindet sich das Kind förmlich mit seinem ausgewählten Lerngegenstand und kommt so zu individuell höchstem Lernzuwachs.
- Kann das Kind also auf seinem individuell richtigem Niveau und Tempo lernen, gewinnt es Selbstsicherheit, eine positive Einschätzung seiner Fähigkeiten und Toleranz für die individuellen Stärken und Schwächen seiner Mitschüler. Maria Montessori spricht von einer "Normalisierung" der Persönlichkeit durch den Erfolg im handelnden Lernen.
- Die Lehrkräfte sind für die Schaffung, Aufrechterhaltung und Veränderung der "Vorbereiteten Umgebung" und für die Begleitung des Kindes während seines Lernprozesses da, indem sie immer wieder inhaltliche Impulse geben. Sie sind respektvolle Helfer des Kindes entsprechend einem Leitsatz der Montessori-Pädagogik : "Hilf mir, es selbst zu tun!"
- Lernen im Wettkampf um Zensuren wird verbannt durch ein Umfeld, in dem Kinder unterschiedlichen Alters sich begegnen und arbeiten. Die Kinder lernen in jahrgangsgemischten Klassen. Die mit dem Material selbst verbundene Fehlerkontrolle ermöglicht dem Kind eine unmittelbare Einschätzung seines Könnens. Die Lernstände werden in Entwicklungsgesprächen zwischen Lehrer, Schüler und Eltern zweimal im Jahr erörtert und am Schuljahresende in einer Lern-Entwicklungs-Dokumentation mit Zeugnisbrief erfasst.
In allen unseren jahrgangsgemischten Klassen lernen und arbeiten Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen miteinander. Wir leben den Gedanken der Inklusion und setzen ihn um. Das heißt, dass ebenso hochbegabte Schüler in unseren Klassen so gefördert werden, dass sie ihr volles Potential ausschöpfen.
Die Montessori-Pädagogik wird in ihrer Wirksamkeit nicht nur von den Ergebnissen der neueren Lernpsychologie bestätigt, sondern sie will eine Antwort sein auf die heute schon geforderten und in Zukunft unabdingbaren Fähigkeiten in Arbeitsprozessen und gesellschaftlichen Handlungsfeldern: Selbstorganisation und Teamfähigkeit, Flexibilität und Kreativität, Entscheidungs- und Bindungsfähigkeit. Kinder, die jahrelang Freude am Lernen hatten, die das Lernen lernten, sind für eine künftige Gesellschaft gut gerüstet.
Organisation und Unterrichtsangebot
In allen Stufen wird jahrgangsgemischt unterrichtet. Die Unterstufe umfasst die Jahrgänge 1 – 3, die Mittelstufe die Jahrgänge 4 – 6, die Sekundarstufe die Jahrgänge 7 – 10. Z. Zt. führen wir drei Unterstufenklassen, drei Mittelstufenklassen und zwei Sekundarstufenklassen. Die Klassen der Mittel- und Unterstufe werden durch eine Klassenlehrerin (Klassenlehrer) geführt, in der Sekundarstufenklassen stehen für die Schüler vier Tutoren mit unterschiedlichen Fächerschwerpunkten zur Verfügung.
Der Schulvormittag beginnt in der Unter- und Mittelstufe mit einem offenen Beginn von 07:45 bis 08:00 Uhr. Der fächerübergreifende Unterricht geht bis 13:00 Uhr. In dieser Zeit haben die Kinder eine ungestörte Arbeitszeit und können sich so in ihre verschiedenen Arbeiten und ihren Arbeitsrhythmus vertiefen ohne von äußeren Faktoren unterbrochen zu werden. Es gibt keine 45-Minuten-Einheiten und keine Schulklingel. Der Nachmittagunterricht für die Mittel- und Sekundarstufe endet um 15 Uhr.
Der überwiegende Teil der Unterrichtszeit in der Unter- und Mittelstufe wird durch die fächerübergreifende Freiarbeit bestimmt, in der alle Aspekte der „Kosmischen Erziehung“ (siehe Stichwort: Kosmische Erziehung auf unserer homepage) inklusive Deutsch und Mathematik angeboten werden. Zusätzlich gibt es fachgebundenen Unterricht (z. T. als fachgebundene Freiarbeit organisiert) in Sport und in Englisch (ab Klasse 1 als Pflichtunterricht). In der Sekundarstufe kann Französisch oder Spanisch als zweite Fremdsprache gewählt werden.
In der Sekundarstufe (Kl. 7 – 10) ändert sich der Schulalltag. Die Struktur wird den Lernbedürfnissen von Jugendlichen angepasst:
Die 5. und 6.Klässler werden in jahrgangsgemischten Klassen gemeinsam mit den 4. Klässlern unterrichtet (s.o.) und gehören zu unserer Mittelstufe.
Mit ungefähr 12 Jahren (ab 7. Klasse) beginnt ein neuer Entwicklungsabschnitt, in dem die Jugendlichen sich körperlich und psychisch gravierend verändern. Das hat Auswirkungen auf ihr Lern- und Sozialverhalten. Maria Montessori hat den Jugendlichen in dieser Phase als „sozialen Embryo“ beschrieben und fordert für diese Altersstufe in ihrem Erdkinderplan eine völlig veränderte Schulstruktur und nach Möglichkeit auch eine räumliche Veränderung. Die Montessori-Schule Göttingen bietet für diese Altersgruppe gegenüber der Unterstufe (Kl. 1 – 3) und der Mittelstufe (Kl. 4 – 6) andere Lernformate und Strukturen an (unter Berücksichtigung der Montessori-Sekundarschulprojekte wie Hershey Farm School in Ohio, Montessori Campus Wien und Montessori-Schule Potsdam). Das intellektuelle Lernen ist nur eins unter weiteren Lernfeldern, die für die Schülerinnen und Schüler gleichrangig sind.
Gemäß den Lernbedürfnissen im Jugendalter und den Fragen, die für diese Altersgruppe typisch sind (Wer bin ich? Wer bist Du? Wer sind wir? Was will ich? Was kann ich?) gibt es folgende Lernfelder:
Die in der Montessoripädagogik klassische Freie Wahl der Arbeit im eigentlichen Sinn wird in dieser Altersgruppe abgelöst durch die obigen Lernfelder (innerhalb derer es Wahlmöglichkeiten gibt).
Das intellektuelle Lernen findet in Form von sogenannten Lernbüros für die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch an drei Wochentagen jeweils in den ersten vier Schulstunden statt. Außerdem gibt es an diesen Tagen auch eine Studierzeit, während der an unterschiedlichen Themen aus den Lernbüros gearbeitet wird. Während der Lernbüros an drei Vormittagen pro Woche sind die Schülerinnen und Schüler in der Regel in der Mischung 7/8 und 9/10 – für alle anderen Lernformate bleibt es bei 7 – 10. Zum Lernfeld „intellektuelles Lernen“ gehört neben Englisch (Pflichtunterricht ab Klasse 1) ab Klasse 6 optional auch die zweite Fremdsprache. Als zweite Fremdsprache kann Französisch oder Spanisch gewählt werden.
Für die übrigen Lernfelder sind folgende Lernformate eingerichtet:
- Praktische Arbeit – „occupations“: echte Arbeitserfahrungen; die Erfahrung, wirksam und nützlich zu sein – zur Zeit noch vorrangig auf dem Schulgelände und im Schulgebäude, perspektivisch Suche nach einem Lernort auf dem Land mit den entsprechenden Erfahrungsmöglichkeiten.
- „Ich als Mensch“ – „humanities“: epochenartiger Projektunterricht zu Themen aus den Bereichen Naturwissenschaften und Gesellschaftslehre.
- Betriebspraktikum – ab Klasse 7 gibt es jedes Jahr ein 2wöchiges Betriebspraktikum; zusätzliche Praktika sind schulbegleitend oder als Block möglich.
- Schülerversammlung – die Schülerinnen und Schüler diskutieren ihre Anliegen und suchen nach Lösungen (einmal pro Woche). Die Schülerversammlung wird von den Schülerinnen und Schülern selbst vorbereitet, geleitet und protokolliert.
- Workshops: Grundlagen oder Spezialkenntnisse aus einzelnen Fachbereichen – wechseln halbjährlich und können frei gewählt werden.
- Haushalt: Die Schüler putzen ihre Etage vollständig selbst.
- Ein Tag in der Woche (Mittwoch) ist für den Bereich Persönlicher Ausdruck reserviert (Kunst, Musik, Werken, Sport, Theater, Buchbinden, Filzen, Film, Orchester).
- Schülerfirma "Beeautiful" (Mikroökonomie) soll zum festen Bestandteil der Stufe werden.
Der Unterricht findet für die Schülerinnen und Schüler der 7 – 10 ganztags (Mo – Do 8 Uhr bis 15 Uhr, Fr 8 Uhr bis 13 Uhr bzw. 13.30 Uhr) statt.
Die Schülerinnen und Schüler dokumentieren ihren Lerntag in einem sogenannten Logbuch, in dem sie auch eine Selbsteinschätzung vornehmen. Das Logbuch dient auch für die Kommunikation zwischen Tutor und Schülerinnen und Schüler sowie mit dem Elternhaus.
Es gibt keine Klassen im eigentlichen Sinn, sondern ein Tutorensystem. Jede Schülerin und jeder Schüler hat einmal pro Woche ein Reflexionsgespräch mit seinem Tutor. Ein-bis zweimal pro Jahr gibt es sogenannte Entwicklungsgespräche zwischen Schüler, Lehrer und den Eltern des Schülers. Am Schuljahrsende gibt es eine Lernentwicklungsdokumentation (kurz LED genannt).
Ab Ende Klasse 8 erhalten die Schülerinnen und Schüler parallel zur LED ein Notenzeugnis. An der Montessori-Schule Göttingen können alle staatlichen Abschlüsse erworben werden, da die Schule im Sekundarbereich staatlich anerkannt ist (9.Klass-Hauptschulabschluss; 10. Klasse: Sekundarabschluss I - Hauptschulabschluss, Sekundarabschluss I - Realschulabschluss, erweiterter Sek-I-Abschluss).
Die Sekundarstufe ab Klasse 7 ist räumlich und in ihrer Tagesstruktur abgekoppelt von der übrigen Schule.